Heerscharen von Juristen, endlose Gesetze und unzählige Institutionen dienen der Stärkung der Rechte der rational entscheidenden und mündigen Käufer:innen. Werbung hingegen versucht Produkt- oder Markenwahrnehmung der Verbraucher zu beeinflussen. Dass dies durchaus erfolgreich betrieben wird, wäre töricht bestreiten zu wollen. Ähnliches erzeugt Werbung auch bei Glaubenssätzen von Verbrauchern. Wie sonst ließe sich erklären, dass die Wahrnehmung Discounter seien billig, Lebensmitteleinzelhandel mittelpreisig und der Fachhandel teuer, fest in den Köpfen von Verbrauchern verankert ist. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass Kaufentscheidungen nur zu 20% bewusst getroffen werden. Eine faktenbasierte Wahrnehmung des Produkts oder der Dienstleistung spielt bei einer Kaufentscheidung nur zu 3-6 % eine Rolle. Dass dem so ist, haben uns Covid und die Folgen des Krieges in der Ukraine deutlich vor Augen geführt.
Die Amplituden der Kaufentscheidungen schlagen bei uns in vollem Umfang aus. Zunächst der immense Zulauf während der Pandemie und die damit verbundenen Lockdowns, der nahezu zügellose Run auf Bio-Produkte, der uns fast schon glauben ließ, der Rettung der Welt könne eigentlich nichts mehr im Wege stehen - außer eben der Pandemie. Dann der Touchdown in der Nachfrage nach Ware im mittleren bis hohen Preissegment, der uns, wie den Lebensmitteleinzelhandel im Allgemeinen, volle Breitseite getroffen hat. Das kam für die ganze Lebensmittelbranche - egal, ob groß oder klein - sehr überraschend.
Weil der Glaubenssatz, Discounter seien billig, in den Köpfen scheinbar eingebrannt zu sein scheint, erfolgte ein übermäßig großer Run auf die Discounter, der bei der ungewissen Situation der zukünftigen Lebenshaltungskosten vordergründig verständlich erscheint. Dies hatte zur Folge, dass die Discounter in den gefühlt knapper werdenden Artikeln sehr schnell Preisanpassungen vornahmen, die nicht immer mit der tatsächlichen Kostenstruktur zu rechtfertigen waren. Im zweiten Schritt wurden die Preise der „hippen“ Artikel, wie Bio-Milch, z.B. vom Discount-Preisführer um 50 Cent angehoben, obwohl diese Preissteigerung aufgrund der Einkaufssituation in der Höhe sicher nicht zu erklären ist.
In der Bio-Branche bzw. dem Bio-Fachhandel hingegen sind die Preise in den letzten 5 Monaten erstaunlich stabil geblieben. Das hat unter anderem damit zu tun, dass Bio-Erzeugnisse zwar mit höheren Energiekosten zu kämpfen haben, aber z.B. nicht mit massiv steigenden Düngerpreisen.