Wir wissen alle, dass wir an vielen Punkten an planetare Grenzen stoßen. Eines der am stärksten betroffenen Themenfelder ist die Artenvielfalt. Viele unterschiedliche Wissenschaftler:innen warnen hier vor sogenannten Kipp-Punkten, die - einmal erreicht - zu unumkehrbaren Folgen führen werden.
An diesem Punkt sagt mir der gesunde Menschenverstand, dass wir das vielleicht lieber verhindern sollten. Dass wir nachhaltig, dauerhaft und zukunftsfähig handeln sollten. Enkeltauglich eben. Es gilt, Strukturen zu schaffen, die morgen und auch übermorgen noch taugen.
Und selbst wenn ich Zweifel habe, ob das nun alles wirklich so schlimm ist, selbst dann handle ich doch aus Vorsorge vorsichtig. Weil einfach zu viel auf dem Spiel steht: die Zukunft meiner Kinder und Enkelkinder. Und ja, auch meine eigene Zukunft wird vermutlich noch von Entscheidungen betroffen sein, die aktuell gefällt werden. Und beim Thema Artenvielfalt ganz konkret auch die Zukunft von vielen Millionen anderer Arten, die doch auch ihre Daseinsberechtigung haben, von denen wir zum Teil abhängig sind und die wir bei so vielen Entscheidungen einfach ignorieren.
Das Bündnis für enkeltaugliche Landwirtschaft fordert deshalb eine enkeltaugliche Landwirtschaft, also eine bäuerliche Wirtschaftsweise, die in den zukunftssichernden Raum innerhalb der überschrittenen planetaren Grenzen zurückkehrt. Die den Lebensraum von Insekten, Vögeln und anderen Tieren in den Fluren und Feldgewässern sichert, das Bodenleben nährt und die Pflanzenvielfalt fördert. Die den Eintrag von Giften in Boden, Trinkwasser, Atemluft und Lebensmittel verhindert. Bäuerinnen und Bauern auskömmlich leben lässt, unabhängig von der globalen Agrarindustrie ist und in einem breiten gesellschaftlichen Konsens wurzelt.
Im Sinne dieses Konsenses möchte auch die Politik vorsorglich handeln. So ist das “Vorsorgeprinzip” die Leitlinie der Umweltpolitik auf der deutschen, der EU- und der internationalen Ebene. Das Vorsorgeprinzip umfasst die Risiko- und die Ressourcenvorsorge. “Risikovorsorge bedeutet, bei unvollständigem oder unsicherem Wissen über Art, Ausmaß, Wahrscheinlichkeit sowie Kausalität von Umweltschäden und -gefahren vorbeugend zu handeln, um diese von vornherein zu vermeiden. Ressourcenvorsorge meint, dass wir mit den natürlichen Ressourcen wie Wasser, Boden und Luft schonend umgehen, um sie langfristig zu sichern und im Interesse künftiger Generationen zu erhalten.”
Das klingt gut und auch der Europäische Green Deal erkennt die Notwendigkeit an, die europäische Landwirtschaft im Allgemeinen und den Pflanzenschutz im Besonderen unter den Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit, des Biodiversitäts- und des Klimaschutzes voranzubringen. Die europäische Farm2Fork-Strategie fordert Maßnahmen bis 2030, um die Verwendung und das Risiko chemischer Pestizide um 50 Prozent zu verringern und agrarökologische Verfahren wie den Bioanbau zu fördern.
Daraus würde sich für mich beim Thema Artenvielfalt Folgendes ergeben: Die Artenvielfalt ist bedroht, die Politik trifft aus Risiko- und Ressourcenvorsorge entsprechende Entscheidungen, die eine Bedrohung entschärfen. Zum Beispiel durch die geplante Reduzierung von Pestiziden, wie in der Farm2Fork Strategie verankert. Aber warum zum Teufel diskutieren wir denn dann wieder über die Zulassung von Glyphosat für weitere 10 Jahre?